KANN EINE APP IN AFRIKA LEBEN RETTEN?

SENEGAL | Es sind über 45 Grad Celsius. Die Sonne brennt auf der Haut und viele Menschen suchen Schatten, wann immer sie es können. Zeitgleich läuft Faty Dia bepackt mit einer schweren Messlatte, einer Plastikschüssel und einer alten Waage über einen sandigen Weg. Regelmäßig läuft die Gesundheitsmitarbeiterin in Dörfer um dort zu schauen, ob Kinder an Mangelernährung leiden. So sollen sie schnellstmöglich Hilfe erhalten. Aber der Weg ist beschwerlich, ihr Gepäck schwer: Die App einer internationalen Hilfsorganisation soll die Arbeit von Faty Dia und vielen anderen jetzt vereinfachen und die Daten vertrauensvoller machen. Aber wird das Vorhaben klappen und wie fair kann eine solche App betrieben werden?

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Kann eine App die Lösung zur Erkennung von Mangelernährung sein? Yes! 💪

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Auf dieser Seite findest Du folgende Informationen:

Der Sengal liegt im Westen des afrikanischen Kontinents – um genau zu sein, liegt der westlichste Punkt von Festland-Afrika sogar hier. Zuletzt machte das Land 2024 erneut Schlagzeilen mit seiner starken Demokratie. Der Machtwechsel im Präsidentenamt verlief friedlich. Bassirou Diomaye Faye ist mit 44 Jahren nicht nur ein junger Präsident, sondern hat auch zwei Frauen. Das Land ist kulturell Vielfältig, hat mehrere UNESCO-Weltkulturerbe. Bekannt ist die Hauptstadt vor allem durch die Rallye Dakar, die früher hier endete. Mittlerweile wird der Wüstenwettbewerb aber in Saudi Arabien ausgetragen. Noch mehr Fakten über den Senegal? Dann gönn dir 60 Sekunden über den Senegal im KI-Podcast.

DATA DOWNLOAD

Die Situation im Senegal ist vielfältig. Das Land hat eine lange demokratische Geschichte. Dabei ist die Wirtschaft des Landes in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen, Arbeitslosigkeit stark gesunken. Gleichzeitig treffen die Bevölkerung immer wieder Nahrungsmittelkrisen, unter anderem auch durch den Klimawandel und damit einhergehende Dürren. Aber auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat das Land schwer getroffen. Nach Angaben des deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat das Land vorher „rund 60 Prozent seines Weizens und fast 50 Prozent seiner Düngemittel aus Russland eingeführt.“ (BMZ) Auf dem aktuellen Index der menschlichen Entwicklung der Vereinten Nationen (Blick auf Lebensrate, Bildung, Einkommen pro Person) liegt der Senegal auf Rang 169 von 193 Ländern. (UNDPR)

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Millionen Einwohner

Deutschland: 83,8 Mio.

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Lebenserwartung

Deutschland: 80.71 Jahre

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Kohlendioxidemission pro Kopf

Deutschland: 7,26 Tonnen

Eines der größten Probleme aber im Senegal: Die Datenlage ist laut lokaler Expert:innen nicht immer vertrauensvoll und sicher. Außerdem ist die Situation in der Republik sehr unterschiedlich – es besteht ein erhebliches Entwicklungsgefälle zwischen Dakar und ländlichen Regionen.

APP-FORSCHUNG MADE IN SENEGAL?

Die SAM Photo App befindet sich derzeit noch in der Entwicklung. Das Team der internationalen Hilfsorganisation Aktion gegen den Hunger hat sich dabei entschieden, bei Forschung und Entwicklung mit der Universität in Dakar zusammenzuarbeiten. Dabei stand in meiner Recherche die Frage: Wieso Senegal? Die Antwort in der folgenden Sprachnachricht Francoise Siroma von Aktion gegen den Hunger.

HILFE AUS DER HOSENTASCHE

Der Senegal, der westlichste Punkt des afrikanischen Festlands. Das Land erstreckt sich über rund 200 Quadratkilometer. Um die SAM Photo App besser kennenzulernen, reise ich in den Norden des Landes – nach Matam. Mit dem Auto brauchen wir mehrere Stunden. Die Temperaturen steigen von knapp 30 Grad mit Meeresbrise auf über 45 Grad im Schatten.  Hier arbeitet auch Faty Dia. Sie arbeite als Gesundheitsmitarbeiterin in einer kleinen Krankenstation in Matam. Regelmäßig verlässt sie aber auch ihren Arbeitsplatz und besucht Dörfer und Gemeinschaften, um dort zu schauen, dass jedes Kind Hilfe bekommt, wenn es diese benötigt. Lernt sie und ihre Arbeit in folgender Reportage kennen.

EXTRA: INSTAGRAM FILTER

Wie kann man ein journalistisches und vielleicht schwieriges Thema auf sozialen Plattformen verbreiten und einen barrierefreien und niedrigschwelligen Zugang schaffen? Diese Frage habe ich mir vor der Recherchereise gestellt. Nach vielen Diskussionen mit Kolleg:innen in Deutschland und auf dem afrikanischen Kontinent habe ich mich dann dafür entschieden, die Visualisierung der SAM Photo App in einem Body-Filter für Instagram zu kopieren. Probiere es direkt hier aus.

Teil meiner Arbeit ist: Ich habe mir auch Gedanken gemacht, ob ich damit meine journalistische Grenze zum Marketing verlasse. Und ehrlich: Diese Grenze ist hier haarscharf. Ich glaube, Journalismus muss manchmal Grenzen überwinden, umgehen und ändern. Habe ich sie mit dem Filter überschritten? Beantworte das für dich selber und schreib mir auf Instagram deine Gedanken. Ich hätte mir gerne einen anderen Filter gewünscht, dieser war allerdings leider nicht finanzierbar. Die Idee: Die User müssen zuerst ihren Körper zeichnen, wie sie glauben „auszusehen“. Anschließend gehen sie zurück und sind nun komplett im Bild sichtbar. Stimmt ihre Vorstellung mit der Realität überein?

OFFENE FRAGEN

Meine Recherchereise hat rund 10 Tage gedauert. Davor und danach standen noch weitere Gespräche und Recherchen an. Ein paar Fragen blieben dabei bei mir unbeantwortet. Manche Themen konnte ich nicht zu meiner eigenen Zufriedenheit klären, auch wenn darüber Gespräche stattgefunden haben:

  • Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es so viele talentierte Entwickelnde von digitalen Lösungen. Sollte humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit nicht hier ansetzen und diese mehr fördern, statt europäische Lösungen zu fördern? Würden dadurch nicht mehr Arbeitsplätze und damit nachhaltige Entwicklung gefördert?
  • Wie lange wird die finale Entwicklung wohl noch dauern? Gerade in Zeiten von KI und der schnellen technischen Weiterentwicklung frage ich mich, ob die App (wenn sie final und medizinisch getestet ist) zu spät kommt, um eine globale Veränderung zu bewirken? Gestartet 2016 – sind wir nun acht Jahre später – und eine flächendeckende Einführung ist derzeit nicht in Sicht.
  • Wie kann langfristig dafür gesorgt werden, dass die App nicht auf internationale, humanitäre Hilfe angewiesen ist?
  • Menschen in Ländern, wie dem Senegal haben viel Arbeit und Daten in die Entwicklung der App gesteckt. Wie werden sie zukünftig in der Weiterentwicklung eingebunden?
  • Können nicht auch Jobs mit Hilfe der App im globalen Süden geschaffen werden, z.B. in dem mit Programmierer:innen von vor Ort gearbeitet wird?

SIDETRACKED

Während meiner Reise bin ich noch auf viele weitere, super spannende Geschichten aus dem Senegal gestoßen. Einige möchte ich euch hier empfehlen:

  • KI-Ideen aus Afrika für das Gesundheitssystem, Google
  • Senegal als Standort der Impfproduktion, BMZ
  • Senegal mit den ersten afrikanischen olympischen Spielen, DW / Olympics
  • Aus dem Senegal in den Bundestag, DW & SPD-Abgeordneter Diaby kündigt Rückzug an, Tagesschau
  • Das Leid der Talibés – Straßenkinder müssen für Islamschule betteln, DW & deutschlandfunk
  • Senegal mit neuem Präsidenten:„Die Jugend hat keine Zeit zu warten“, taz
  • Fossile Brennstoffe für Europa, deutschlandfunk

JOURNALISTENPREIS HUMANITÄRE HILFE

Die Reise in den Senegal fand innerhalb des Journalistenpreis Humanitäre Hilfe von Aktion Deutschland Hilft mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes statt. (Junge) Journalist:innen haben dabei die Möglichkeit über ein Thema der humanitären Hilfe zu berichten. Hierfür wurde jede Person mit einer Hilfsorganisation vernetzt. Das Ziel ist es so, eine möglichst innovative und breite Berichterstattung zu ermöglichen. Dabei werden die Kosten zum Beispiel für Reise, Visa und Unterkunft übernommen. Darüber hinaus aber keine Vergütung gezahlt. Im Anschluss an die Reisen, wird jede:r Journalist:in einen Bericht anfertigen. Format und Veröffentlichung spielen dabei keine Rolle. Ein erstes Fazit zu dem Preis habe ich in dieser Sprachnachricht zusammengefasst.

MEIN GRÖßTES LEARNING

Jetzt sitze ich hier, wieder zurück in Deutschland, nach meiner Reise durch Kenia und den Senegal. Die Erfahrungen waren äußerst lehrreich für mich. Zum ersten Mal habe ich den westlichen Teil Afrikas bereist, was an sich schon spannend war. Zudem war ich erneut in einem Land, in dem meine Sexualität verboten ist – eine herausfordernde Erfahrung.

Das vielleicht größte Learning für mich war jedoch die Bedeutung der Sprache. Bisher war ich hauptsächlich in englischsprachigen Ländern unterwegs, und mir wurde klar, wie sehr mir die Sprache beim Aufbau von Beziehungen zu den Menschen fehlt. Im französischsprachigen Senegal konnte ich nicht so leicht eine Verbindung zu den Menschen aufbauen. Als Journalist war das eine echte Herausforderung und hat mich zum Nachdenken gebracht: Ist es sinnvoll, als nicht-französischsprachige Person in ein Land zu reisen, wo ich zu 100 % auf Übersetzende angewiesen bin?

Natürlich gab es auch Momente, in denen die Kommunikation unabhängig von der französischen Sprache schwierig gewesen wäre – beispielsweise mit Menschen, die nur ihre Stammessprache sprachen. Dennoch wäre es vielleicht ein erster Schritt gewesen, wenn ich zumindest Französisch hätte sprechen können. Vielleicht wäre es hilfreich gewesen, einen lokalen Kollegen oder eine Kollegin an meiner Seite zu haben, um gemeinsam den Bericht zu erstellen?

Ich bin der Überzeugung, dass Journalisten, die die lokale Sprache sprechen und unsere beruflichen Werte vertreten, die besten Berichte liefern können – das muss nicht ich unbedingt tun. In vielen Fällen konnte ich keine enge Beziehung zu meinen Gesprächspartnern aufbauen, was mir persönlich super wichtig gewesen wäre.