Flacht sie schon wieder ab? Diese Welle? Sehen wir etwa schon weniger von dem Leid? Haben jetzt alle etwas gesagt und die Politik kritisiert?
Es ist schon nicht leicht als Medienliebhaber dieses Unverständnis in sich zu verspüren, wie in den letzten Tagen. Seinen Anfang nahm es in den letzten Wochen, nachdem möglichst jeder einmal die nicht vorhandenen harten Worte von Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisiert hatte, waren nun die Prominenten und Fernsehsender dran. Denn anders als man vielleicht vermuten könnte, war es nicht so, dass Deutschlands Stars oder Fernsehmacher schon vor Monaten klar Stellung bezogen hätten. Vielmehr herrschte in Gesamtdeutschland eine schweigende Zustimmung zur Kanzlerinenkritik und gleichzeitig aber auch zur Ablehnung von Fremdenhass. Aber schweigend bedeutet nun mal nicht hörbar.
Diese prominente mediale Stille sollte mit dem Tagesschau-Kommentar von Anja Reschke und den klaren Worten von Schauspieler Til Schweiger durchbrochen werden. Plötzlich war es „In“, eine klare Stellung zur Thematik zu haben und diese auch in sozialen Netzwerken oder sogar in der eigenen Sendung deutlich zu machen. Keine Kritik, aber nun mal auch nicht viel früher, als Frau Merkel. Ich bin über jeden froh, der es endlich schafft, #mundaufmachen auf Facebook und Twittern zu veröffentlichen.
Doch diese kleine Anekdote war auch nur der Anfang von dem, was mir eigentlich komisch auffällt: Plötzlich war es auch modern Sondersendungen über Flüchtlinge im Fernsehen zu zeigen, Reportagen darüber zu produzieren und möglichst in jeder Sendung monothematisch darüber zu berichten. Auch das ist keine generelle Kritik, aber bei mir ist der Grund noch nicht angekommen, wie aus einer stillen Berichterstattung eine laute, brüllende, anschreiende wurde. Wann kam der Wechsel von einem neutralen Tagesschau-Bericht über Flüchtlinge in Deutschland, hin zu einer Mischung aus WM-Helden-Empfang, klarer Meinungspositionierung und emotionaler Geschichtenerzählung? Die Begrüßung von Flüchtlingen in München, nachdem die Bundesregierung die Einreise der geflüchteten Menschen erlaubte, fühlte sich für mich komisch an.
Sicherlich, in kleinen Spots wurde das teils auch schon vorher so betrieben, doch in der Masse erst seit wenigen Tagen. RTL verkündet einen Thementag, sendet seine Haupt-Nachrichten sogar live aus einer Flüchtlingsunterkunft. Kurz danach auch die Pressemeldung, dass die ARD ebenfalls mit Sondersendungen auf die aktuelle Nachrichtenlage reagiert. Garniert wird es dann mit einer kompletten Primetime-Liveshow im ZDF.
Berichterstattung muss sein, sie darf meiner Meinung nach auch gerne persönlich und emotional gemacht werden, aber dieser plötzliche Ansprung von thematischer Auseinandersetzung ist schon auffällig und für einige Bürgerinnen und Bürger auch beängstigend. Erst hört man nur wenig über Flüchtlinge, dann werden von der Bundesregierung plötzlich neue Prognosen von bis zu 800.000 Flüchtlingen veröffentlicht und schon steigen die Sendeminuten rund um das Thema drastisch an. Ein nicht ganz gut informierter Mensch könnte meinen, ganz plötzlich geht die Welt unter.
Und bald berichten wir dann auch LIVE aus dem Sonderzug aus Ungarn, als ob der Tsunami gerade ein Land überrollt hat. Die Welle rollt! Das wohl Wichtigste: damit meine ich nicht Menschen, die bei uns Schutz suchen. Keine Männer, keine Frauen, keine Kinder – kein Sohn und keine Tochter und auch keine Mama und kein Papa.